Nahaufnahme: ein Mann hält einen zerknüllten, zerrissenen Zettel. Darauf zu sehen: ein gezeichnetes Herz und der Name „Sabine.“

Häusliche Gewalt: Wenn Männer gewaltlos werden wollen

„Sie hat genervt, da ist mir die Hand ausgerutscht!“ Wenn Carina Huber Sätze wie diesen hört, kontert sie sofort: „Nein, du hast deine Frau geschlagen.“ Huber leitet die Fachstelle Schwaben-Nord Täter*innenarbeit häusliche Gewalt des SKM Augsburg. In der Einzelberatung und in der Gruppe knackt sie den Selbstverteidigungspanzer der Teilnehmer und arbeitet mit ihnen an Haltung und Verhalten.

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Täterarbeit: Worterklärung (Definition)

Was ist Täterberatung bei häuslicher Gewalt und bei Partnerschaftsgewalt?

Beratungsangebote für Täter (auch: Täterarbeit) richten sich an Männer, die keine häusliche Gewalt mehr ausüben wollen. Sie besuchen die Beratung aus eigenem Antrieb, auf Initiative ihrer Partnerin oder ihres Partners oder – in den meisten Fällen – aufgrund einer behördlichen Auflage. In der Einzelberatung und Gruppenarbeit setzen sie sich mit ihrem eigenen Verhalten und ihren Einstellungen auseinander und üben neue Verhaltensmuster ein. In Bayern gibt es sowohl Angebote für Täter als auch für Täterinnen. 

Täterarbeit = Opferschutz!

Opfer von häuslicher Gewalt und ihre Kinder zu unterstützen, zu schützen und zu stärken, ist eine Säule des Hilfesystems (Hier finden Sie Beratungs- und Schutzangebote). Die Täterarbeit ist die zweite Säule, denn: „Die Täterberatung macht das Hilfesystem komplett“, erklärt Täterberaterin Carina Huber. Wer eine Täterberatung erfolgreich abschließt, kann oft mit der Partnerin oder dem Partner eine veränderte, gewaltfreie Beziehung entwickeln (oder, bei Gewalt in einer zurückliegenden Beziehung: eine gewaltfreie Beziehung zu einer neuen Person aufbauen). Die Gewaltspirale durchbrechen: Dafür müssen die Teilnehmenden intensiv und hart an sich arbeiten. Ist eine gewaltfreie Fortsetzung der Ehe oder Beziehung nicht realistisch, kann auch eine sichere Trennung das Ziel der Täterberatung sein. Die Täterarbeit kann die Grundlage für eine künftige gute Beziehung legen.  

Die Fachfrau: Carina Huber, Täterberaterin 
Porträtfoto: Carina Huber.

Carina Huber ist stellvertretende Geschäftsführerin des SKM Augsburg – Katholischer Verband für soziale Dienste e. V. Außerdem engagiert sie sich im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V. Als Täterberaterin des SKM Augsburg hat die Sozialarbeiterin auch ein Standbein mitten in der Praxis. Die Täterberatung des SKM Augsburg läuft seit 2020. Vorerst richtet sich das Angebot ausschließlich an Männer. Bislang nahmen Männer zwischen 18 und 86 Jahren an der Beratung und der Gruppenarbeit teil, vom Obdachlosen bis zum wohlhabenden Geschäftsführer. „Viele haben selbst als Kind Gewalt erfahren – oder Gewalt zwischen den Eltern“, berichtet Carina Huber und ergänzt: „Das ist ein Grund, aber keine Entschuldigung!“ 

Besuch in einer Tätergruppe

Ganz normale Männer. Mit einer Ausnahme … 

Irgendein Werktagabend, irgendwo in Augsburg. Carina Huber steht vor dem Gruppenraum und wartet auf die Teilnehmer ihrer Tätergruppe. Rasch trudeln mehrere Männer ein, alle sind pünktlich, bei Zuspätkommen droht der Rausschmiss. Ein bisschen Smalltalk, eine Zigarette; entspannt wirken die Männer nicht, aber routiniert, sie nehmen schon seit mehreren Monaten teil. Sie sind jung oder älter, schlicht gekleidet oder durchgestylt, sprechen breiten Dialekt oder mit Akzent. Und sie haben eines gemeinsam: Sie haben Gewalt gegen ihre Frau, Freundin oder Ex-Partnerin ausgeübt. Oder, wie Carina Huber sagt: „Ganz normale Männer, die nur nicht gelernt haben, wie man mit Konflikten umgeht.“ 

„Auf geht’s“, ruft Carina Huber. Die Männer stellen sich im Kreis auf: Carina Huber beginnt jedes Gruppentreffen mit Qigong-Übungen. Dass meditative Körperarbeit nicht gerade ihr Hobby ist, sieht man den Männern an. Doch sie ziehen die Atem- und Bewegungsübungen ernst und ohne Wimpernzucken durch. Anschließend suchen sie im Gruppenraum ihren Platz im Stuhlkreis. „Was ist gelaufen, wie geht es euch?“ Carina Huber eröffnet die Aufwärmrunde. Bisschen Schnupfen, neues Auto, keine besonderen Vorkommnisse. Dann geht es ans Eingemachte. Carina Huber hat mehrere gelbe Markierungsbänder wie einen Zebrastreifen auf den Boden geklebt und beschriftet: „Ärger, aber ruhig“, steht auf dem ersten Band. „Ärgert mich und ich merke es“ auf dem nächsten. Gefolgt von „Wütend, unter Kontrolle“ und: „Ausraster“. 

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gewaltausübende Männer …

… meldeten sich von Mitte 2020 bis Ende 2023 bei der Täterberatung des SKM Augsburg, 90 Interessierte starteten in die Beratung. Im Schnitt sind jeweils 10 Männer in einer Gruppe; etwa die Hälfte schließt die Beratung ab. 223 Kinder waren von der Gewalt in der Partnerschaft mitbetroffen.

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Carina Huber holt den ersten Teilnehmer zu sich. Gemeinsam stellen sie sich vor den ersten Klebestreifen. „In welcher Situation ärgerst du dich, bleibst aber ruhig?“, fragt die Gruppenleiterin. Der Mann überlegt nur kurz. „Wenn meine Frau um den heißen Brei redet … Ich werde jetzt nicht mehr wütend, sondern wir sprechen darüber.“ Weiter zum nächsten Streifen: „Wenn meine Frau am Telefon mit anderen über mich spricht“, sagt der Mann. „Das macht mich aber eigentlich nicht wütend, sondern traurig.“ Und wann sei er richtig wütend geworden? „Als ihre Schwester meiner Frau gesagt hat, dass sie die Polizei rufen soll … Fremde Leute sollen nicht meine Familie kaputtmachen!“ Äh, wer macht nochmal die Familie kaputt? „Ich habe meine Frau nicht geschlagen“, wehrt der Mann ab. „Nein, pariert Carina Huber ruhig. „Du hast sie getreten.“ 

Worum genau geht es bei der Täterberatung? Carina Huber: Die Männer sollen einsehen, dass sie Fehler gemacht haben, Verantwortung übernehmen – und es besser machen wollen. Am Anfang erklären die meisten: „Meine Frau machte dies, meine Frau sagte das, da musste ich sie schlagen. Eigentlich sollte meine Frau hier sitzen! Ich bin kein Täter!“ Im Erstgespräch wehren sich viele auch gegen die Teilnahme an einem Gruppentreffen. „Was soll ich denn da“, sagen sie dann, „im Stuhlkreis sitzen und meinen Namen tanzen?“ Stuhlkreis stimmt, Tanzen nicht. In der Gruppe öffnen sich die Männer dann rasch, erlebt Carina Huber. Jedes halbe Jahr kommen einige Neue dazu. Die alten Hasen nehmen sie auf, ermutigen sie – und reden Klartext. Das Feedback der anderen Teilnehmer ist oft knallhart, doch die Männer schlucken es. Sie sitzen im selben Boot und rudern gemeinsam: raus aus dem Strudel der Gewalt. Einige rudern auch um ihre Freiheit: Scheitern sie in der Tätergruppe, droht ihnen die Wiederaufnahme ihres Verfahrens und eine Haftstrafe. Oder das Jugendamt entscheidet, dass sie ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen. 

Die Regeln sind streng, wer nicht regelmäßig zur Gruppe kommt – alle zwei Wochen, jeweils drei Stunden, ein halbes Jahr lang – oder seine Hausaufgaben nicht erledigt, der fliegt raus. Bei jedem Treffen müssen die Männer beweisen, dass es ihnen ernst ist mit dem Ausstieg aus der Gewalt. Bis Ende 2023 stieg nur ein Teilnehmer selbst aus. 37-mal brach Carina Huber die Beratung ab, weil die Männer die Teilnahmebedingungen nicht erfüllten. 

Rat an Personen, die häusliche Gewalt ausüben

Carina Huber vom SKM Augsburg ist Täterberaterin. Ihr Tipp: „Reden Sie darüber. Suchen Sie eine Beratungsstelle. Denken Sie auch an Ihre Kinder: Verhindern Sie, dass Ihre Kinder Gewalt miterleben und selbst gewalttätig werden. Durchbrechen Sie den Kreislauf der Gewalt.“ Anlaufstellen für Täter und Täterinnen im Hilfefinder 

Rat an Menschen, die häusliche Gewalt erleben

Sie erleben häusliche Gewalt? Sie leiden darunter, dass Ihr Partner oder Ihre Partnerin Grenzen überschreitet? Hier finden Sie Hilfe Gewalt:

Frauenhilfetelefon 

Telefon: 116 016 
Infos und Online-Beratung: zum Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" 

Männerhilfetelefon 

Telefon: 0800 1239900 
Infos und Sofort-Chat/Online-Beratung: zum Hilfetelefon „Gewalt an Männern" 

Strong! LSBTIQ-Beratungstelefon (bayernweit)

Telefon: 0800 00 112 03 
Infos: zum bayernweiten Beratungstelefon für LSBTIQ 

Notfall-Strategien, von Jogging bis Autoputzen 

Carina Huber geht mit den Teilnehmern ins Detail: Was habe ich getan? Bin ich in der Täterberatung richtig? Warum übe ich Gewalt aus? Was tun, wenn der Druck im Kessel steigt? Mit jedem Mann entwickelt Carina Huber einen Notfallplan. Der eine verlässt vor dem drohenden Ausraster das Haus und geht joggen. Der nächste putzt sein Auto, ein anderer ruft seinen besten Freund an. Rausgehen und auf den nächsten Baum eindreschen? Nein, das mit dem Zuschlagen soll aufhören. In der Gruppe beackern die Männer neben allgemeinen Themen (Was ist Gewalt, wo beginnt Gewalt?) auch ihre eigenen Gewalttaten. Jeder Einzelne, minutengenau. Was habe ich getan, gedacht, gefühlt? Was erlebte ich positiv an der Gewalt (endlich war Ruhe, ich hatte die Macht, war meiner wortgewandten Frau überlegen)? Was war negativ (ich habe meine Frau verletzt, meine Frau hatte Angst, meine Kinder waren verstört, insgeheim schämte ich mich, so wollte ich eigentlich nicht sein)? 

Gewalt zwischen Mama und Papa: und die Kinder? 

In Rollenspielen üben die Teilnehmer, wie gute Kommunikation gelingen kann. Sie sprechen über Respekt, über Gefühle, über Wut. Und darüber, was es mit ihren Kindern macht, wenn der Papa die Mama anschreit, schlägt oder an den Haaren durch die Wohnung schleift. Manche Männer lieben ihre Frauen. Manche Paare sind nur zusammen, weil sie nach ein paar Dates ungeplant ein Kind zeugten. Und wieder andere Männer wissen einfach nicht (mehr), was sie für ihre Partnerin oder ihren Partner empfinden. Manche Männer sind Täter und Opfer zugleich, erleben selbst in der Beziehung (zum Beispiel psychische) Gewalt. Auch dann gilt: nicht zurückschlagen. „Wenn sich in einer Beziehung einer verändert“, erklärt Carina Huber, „dann verändert sich der andere auch. Es kommt immer wieder vor, dass Täter darüber erstaunt sind, was in ihrer Beziehung passiert, wenn sie keine Gewalt mehr ausüben.“ Manchmal schaut Carina Huber mit den Teilnehmern auch Videos mit mehr oder weniger schwer erkennbaren Gewalthandlungen an. Im Film identifizieren die Männer mühelos jede Gewalttat. Bei sich selbst tun sie sich schwerer. 

Die Täterarbeit soll den Kreislauf der häuslichen Gewalt beenden. Täterarbeit ist Opferschutz! Und sie soll auch die Kinder des Paares schützen: Sie sollen keine Gewalt miterleben und nicht selbst in die Gewaltspirale gezogen werden. 

Carina Huber, Täterberaterin

Zerstörte Herzen zusammenkleben? Funktioniert leider nicht. 

Die nächste Übung, Carina Huber verteilt weiße Papierbögen und dicke Filzstifte. „Malt ein richtig schön großes Herz“, fordert sie die Männer auf. Und als jeder ein formatfüllendes Herz aufs Papier gebracht hat: „Schreibt den Namen eures Opfers in das Herz.“ Einen Moment lang wirken die Männer wie eingefroren. Dann notiert jeder einen Namen, mitten ins selbst gemalte Herz. „Jetzt“, fährt Carina Huber fort, „jetzt zerstört ihr das Herz.“ Die Männer tun, was sie sagt. Der eine zerknüllt seinen Bogen, der andere reißt ihn mittendurch, ein weiterer zerpflückt ihn in kleine Fetzen.  

Nahaufnahme: Ein Mann zeichnet ein Herz auf ein Blatt Papier und schreibt den Namen „Sabine“ hinein.

Den Namen ihres Opfers in ein Herz schreiben: nicht einfach für die Männer in der Tätergruppe. (Szene nachgestellt) 

Und jetzt? Als die zerknüllten, zerrissenen, zerfetzten Herzen auf dem Boden liegen, gibt Carina Huber die letzte Anweisung: „Und jetzt macht ihr das Herz wieder ganz.“ Dieser schlichte Satz packt jeden im Raum. Unbeholfen zupfen die Männer an den zerstörten Papierherzen herum, fügen sie schief mit Tesafilm zusammen, versuchen vergeblich, sie glattzustreichen. „Gewalt hinterlässt immer Spuren“, verdeutlicht Carina Huber. „Auch, wenn man versucht, das Papier zu glätten: Es wird nie wieder so sein wie vorher. Genauso ist es, wenn man an einer Beziehung arbeitet. Es ist möglich, diese gut weiterzuführen, die Gewalttat bleibt aber immer ein Teil davon.“  

Ein Brief an sich selbst. Geschrieben aus Opfersicht … 

Vor jedem Treffen müssen die Gruppenteilnehmer eine Hausaufgabe erledigen. Diesmal: einen Brief an sich selbst, geschrieben aus dem Blickwinkel ihres Opfers. Die Männer ziehen kleingefaltete, handbeschriebene Zettel aus den Hosentaschen. Ein Mann räuspert sich, kneift die Augen zusammen, beginnt vorzulesen: „Ich halte es nicht mehr aus, von dir geschlagen, getreten und gedemütigt zu werden.“ Er räuspert sich wieder, liest weiter: „Ich habe Angst um unsere Kinder.“ Doch er flicht auch ein `Geständnis´ seines Opfers, seiner Expartnerin, mit ein: „Es gehören immer zwei dazu, ich habe dich oft provoziert …“ Was halten die anderen Männer von dieser Botschaft? Sie schütteln den Kopf: Nein, Provokation hin oder her, die Verantwortung für sein Handeln trage er ganz allein. „Nichts, was deine Partnerin tut, gibt dir das Recht, Gewalt auszuüben“, schärft Carina Huber den Teilnehmern immer wieder ein. Auch wer seine Partnerin oder seinen Partner zum Beispiel erpresst, von sozialen Kontakten abschneidet oder den Zugriff aufs gemeinsame Konto verwehrt, begeht Gewalt.  

Einmal, erinnert sich Carina Huber, habe ein Teilnehmer in der Einzelberatung total geblockt und sich an der Gruppenarbeit kaum beteiligt, auch die Hausaufgaben nicht erledigt – bis er „von den anderen in der Gruppe eine heftige Ansage bekam. Er schrieb dann den Brief an sich selbst. Als er ihn vorlas, kamen ihm die Tränen, er begann zu weinen. Ab diesem Moment hat er sich total geöffnet und engagiert mitgemacht.“ 

Ein erster Schritt: die Tat beim Namen nennen 

Jedes Wort zählt, Ausflüchte und Beschönigungen lässt Carina Huber nicht gelten. „In einer Gruppe war ein Mann, der vorher nie gewalttätig war. Doch dann schlug er im Streit einmal seine Freundin, sie stürzte die Treppe hinunter und verletzte sich. Auf ihren Druck hin kam der Mann zu uns in die Gruppe. Er sagte zwar von Anfang an: `Ich will, dass das nie wieder vorkommt.´ Aber er gab nie zu, dass er seine Freundin geschlagen hat, er sagte immer nur: `Mir ist die Hand ausgerutscht.´ Nach einiger Zeit berichtete mir die Freundin, dass es in der Beziehung viel besser läuft. Und eines Tages fragte mich der Mann: `Glaubst du, sie hat mir verziehen, dass ich sie geschlagen habe? Er hat das Wort ausgesprochen. Das war der Durchbruch.“ 

„Ich wusste nichts mehr, außer ...“ 

Ein halbes Jahr nach Abschluss der Beratung trifft sich Carina Huber noch einmal mit jedem Teilnehmer und klärt: Wie es ist bislang in der Partnerschaft gelaufen? Hat der Mann noch seinen Notfallplan parat, greift er in Stresssituationen auf ihn zurück, statt zu brüllen oder zuzuschlagen? Manchmal melden sich Männer in Notsituationen bei Carina Huber: „In einer Gruppe war ein eher ruhiger Mann. Er hatte seine Frau geschlagen, weil sie ihn betrog. Die Beratung schloss er gut ab. Doch nach längerer Zeit ging seine Frau wieder fremd. Er rief mich an und sagte: `Ich wusste nichts mehr. Außer, dass ich sie nicht schlagen darf.´ Das war sehr toll. Er kam zu mir in die Beratung, wir besprachen, ob er sich trennen oder mit seiner Frau zusammenbleiben will. Auch eine solche Beratung wirkt stabilisierend und kann verhindern, dass man in alte Verhaltensmuster zurückfällt." 

Nach der Beratung: Interview mit einem Täter

Stärker geworden und als Mensch viel souveräner 

Kolja M. hat die Täterberatung des SKM Augsburg besucht. Er wollte kein Gewalttäter sein – und seine Partnerin und vor allem das gemeinsame Kind schützen. Ein halbes Jahr nach seinem Abschluss erzählt er uns von seinen Eindrücken und Erfahrungen. Um ihn und seine Familie zu schützen, haben wir seinen Namen geändert. 

Täterberaterin Carina Huber im Gespräch mit einem Mann. Er ist von hinten fotografiert und hat eine Kapuze über den Kopf gezogen.

Kolja M. heißt in Wirklichkeit anders. Auch sein Gesicht zeigen wir nicht. Doch über seine Gewalttat und seine Erfahrungen in der Tätergruppe spricht Kolja M. offen. Mit seiner Geschichte möchte er andere gewaltausübende Personen motivieren, die nicht länger Gewalt ausüben wollen. Das Foto zeigt Kolja M. im Gespräch mit Carina Huber. Die Sozialarbeiterin half ihm beim Neustart in seine Beziehung.  

„Meine Freundin und ich haben eine schwierige Zeit. Wir waren noch nicht lange zusammen, als sie schwanger wurde. Eigentlich sind wir vor allem wegen des Kindes zusammen. Es gab oft Streit. Einmal eskalierte er so, dass Nachbarn die Polizei riefen. Ich war total positiv überrascht: Die Polizisten wollten nicht noch mehr Stress reinbringen, sondern uns beiden helfen. Meiner Freundin empfahlen sie eine Anlaufstelle für Gewaltopfer und mir die Täterberatung. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass es so ein Angebot gibt. Allerdings: Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nicht als `Täter´ gesehen. Hingegangen bin ich trotzdem, denn ich wollte etwas tun. Ich wollte so nicht sein! Das ist meine Einstellung: Ich mache etwas um der Sache selbst willen, nicht weil ich muss.  

Meine Freundin und ich hatten keine idealen Elternhäuser. Wir haben nicht gelernt, wie man in der Beziehung gut miteinander umgeht. Unser Kind hat eine große Rolle gespielt: Wir wollten unbedingt vermeiden, dass es seelischen Schaden nimmt durch unseren Streit. Man wünscht sich ja das Beste für sein Kind. Wenn man seinen Kindern so ein Paket mitgibt, dann ist das supertraurig. 

Wann kann/sollte ich mich an eine Beratungsstelle für Täter oder Täterinnen wenden?

Sie üben in der Partnerschaft zum Beispiel psychische Gewalt, körperliche Gewalt oder sexualisierte Gewalt aus? Oder Sie fürchten, dass Sie gewalttätig werden könnten? Tipp: Wenden Sie sich am besten gleich an eine Täter- oder Täterinnenberatungsstelle. Auch wenn Polizei, Justiz oder Jugendamt noch nicht im Spiel sind. Nutzen Sie die Chance, möglichst frühzeitig an sich zu arbeiten – und (weitere) Gewalt zu vermeiden! Anlaufstellen finden Sie unten: direkt zur Hilfebox.  

„Die Gruppe hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Da sind lauter ganz normale Menschen. Die Gruppenarbeit ist nicht ohne, da geht man manchmal auf dem Zahnfleisch. Auch die anderen Teilnehmer machen dir klar, dass du die Verantwortung für dein Handeln selbst übernehmen musst.“ 

Kolja M., ehemaliger Teilnehmer der Tätergruppe

Ich habe die Gruppe auch als so ’ne Art geborgener Raum erlebt: Sie hat uns Platz gegeben, das schwierige Thema Gewalt zu bearbeiten. Ich bin stärker geworden und als Mensch viel souveräner. Irgendwann konnte ich gegenüber der Gruppe auch eingestehen: Ich bin ein Gewalttäter. Geholfen hat mir dabei besonders der Brief, den ich an mich selbst schreiben musste – aus der Sicht meiner Partnerin. Mich in ihre Rolle zu versetzen, hat sehr viel in mir bewegt. Ich habe begriffen, dass die Verantwortung bei dem liegt, der die Tat ausübt, also bei mir.   

Wut ist okay. Die Frage ist, wie ich mit ihr umgehe. 

Vor einem halben Jahr habe ich die Beratung abgeschlossen. Ich habe gelernt: Wut ist okay – die Frage ist, wie gehe ich mit ihr um und wie äußere ich sie. Diese Erkenntnis in den Alltag zu übertragen, ist ein langer Prozess. Der ist für mich noch nicht abgeschlossen. Aggressiv zu werden, gewalttätig zu werden: Das legt man nicht so schnell ab. 

Wir stehen jetzt als Familie anders da. 

Dass ich die Täterberatung mache, wussten außer meiner Partnerin auch meine Mutter und ein paar gute Freunde. Sie waren überrascht, haben aber alle positiv reagiert. Nach meinem letzten Gruppentreffen hatte ich ein mulmiges Gefühl: `War’s das jetzt?´ Die Gruppe hatte mir einen gewissen Halt gegeben. Ich hatte Sorge: Muss ich jetzt alles allein hinbekommen? Aber es war auch ein schönes, stolzes Gefühl: Ich habe das jetzt geschafft. Zum Abschluss der Gruppe bekamen alle von Carina Huber einen kleinen Anhänger, so einen Halbedelstein. Er hat mich erinnert und irgendwie gestärkt.  

„Man übt keine Gewalt aus, weil es einem gut geht, sondern weil etwas im Leben schwierig ist. Schäm dich nicht, zögere nicht: Suche dir Hilfe! Es wird nicht besser, wenn du nicht an dir arbeitest. Wenn du selbst erkennst, dass du dich ändern musst, dann ist das gut und unterstützenswert.“ 

Kolja M., ehemaliger Teilnehmer der Tätergruppe

Meine Partnerin hat mich von Anfang an unterstützt. Sie findet, dass ich mich verändert habe. Wichtig ist, festzustellen, wie man aus Stresssituationen rauskommt. Wir haben uns geeinigt, dass wir eine Diskussion vorläufig abbrechen, bevor sie eskaliert. Einer von uns geht dann in ein anderes Zimmer. Atemübungen und Sport helfen mir, wieder runterzukommen. Ich schaue jetzt auch mehr auf mich selbst und versuche, Stress zu vermeiden. Und ich achte darauf, die Haltung meiner Partnerin nachzuvollziehen. Wir haben uns nie wieder in dieser Lautstärke gestritten. Das Gruppentraining hat mir da einen ganz großen Schub gegeben. Ich kann Herausforderungen besser bewältigen. Meine Partnerin und ich machen zurzeit eine Paartherapie. Aber schon jetzt stehen wir als Familie anders da." 

Raus aus der Gewalt: Hier finden Sie Hilfe

Fachstellen für Täterarbeit 

Jetzt aktiv werden und beraten lassen!

In jedem bayerischen Regierungsbezirk gibt es mindestens eine staatlich geförderte Fachstelle für Täterarbeit bei häuslicher Gewalt, bei Bedarf mit angegliederter Täterinnenarbeit. Das Angebot der Fachstellen richtet sich an Männer und ggf. Frauen, die Verantwortung übernehmen und keine Gewalt mehr ausüben wollen. Teilweise werden Teilnehmende durch Justiz, Gerichtshilfe, Polizei oder andere Stellen vermittelt. Sie können sich jedoch auch selbst melden. Grundsätzlich geht es bei der Beratung um Gewalt gegen Frauen; einige Fachstellen beraten jedoch auch bei Gewalt gegen Männer.  

HÄUSLICHE GEWALT: BERATUNG & HILFE

    • Anlaufstellen für Gewaltopfer und für Täter und Täterinnen, die aus der Gewalt aussteigen wollen.

    • 110

      Sie werden akut bedroht? Oder jemand in Ihrem Umfeld? Rufen Sie sofort die Polizei.

    • Beratung für Täter und Täterinnen bei häuslicher Gewalt

      Hier finden Sie Beratungsangebote für Menschen, die keine Gewalt (mehr) ausüben wollen.

    • Hilfetelefon „Gewalt an Männern“

      Bin ich Opfer oder (auch) Täter? Das Männerhilfetelefon bietet Rat zu allen Fragen rund um Gewalt – auch wenn Sie bei häuslicher Gewalt nicht sicher sind, wer in Ihrer Beziehung Opfer oder Täter bzw. Täterin ist.

    • Zum Hilfe-Finder

      Sie suchen weitere Beratungs- oder Hilfeangebote, im Web oder in Ihrer Nähe? Hier können Sie gezielt nach Ihrem Thema filtern.

Tiefer einsteigen: Themenseiten

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